Conni Hechler

Conni Hechler, Mörfelden-Walldorf liest aus Joachim Ringelnatz, zwei kleine Gedichte: Ein Nagel saß in einem Stück Holz, 1912 und Der Briefmark, 1924

 

 

 

 

 

„Humor ist der Knopf, der verhindert,
dass uns der Kragen platzt.“

(Ringelnatz, Tageskalender, 24 Februar)

Ein Nagel saß in einem Stück Holz

Ein Nagel saß in einem Stück Holz
Der war auf seine Gattin sehr stolz.
Die trug eine goldene Haube,
und war eine Messingschraube.

Sie war etwas locker und etwas verschraubt,
sowohl in der Liebe, als auch überhaubt.
Sie liebte ein Häkchen und traf sich mit ihm.
In einem Astloch, sie wurden intim.

Kurz, eines Tages entfernte sie sich,
und ließ den armen Nagel im Stich.

Der arme Nagel bog sich vor Schmerz,
Noch niemals hatte sein eisernes Herz
so bittere Leiden gekostet.
Bald war er beinahe verrostet.

Da aber kehrte sein früheres Glück,
Die alte Schraube wieder zurück.
Sie glänzte über das ganze Gesicht,
ja, alte Liebe rostet nicht.

 

Der Briefmark

Ein männlicher Briefmark erlebte
Was Schönes, bevor er klebte.
Er war von einer Prinzessin beleckt.
Da war die Liebe in ihm geweckt.

 

Er wollte sie wiederküssen,
Da hat er verreisen müssen.
So liebte er sie vergebens.
Das ist die Tragik des Lebens.

 

Quelle: Joachim Ringelnatz, Der Briefmark, Kuttel-Daddeldu, S. 94, 1924, München; auch in: Joachim Ringelnatz, Der Briefmark, Das Gesamtwerk in sieben Bänden, Herausgegeben von Walter Pape, Zürich 1994, Band 1 (Gedichte) und Band 2 (Gedichte) (Band 1 S. 65)

siehe: Wikisource, https://de.wikisource.org/wiki/Der_Briefmark

 

Aus: Hans Bötticher (Joachim Ringelnatz), Ein Nagel sass in einem Stück Holz, Die Schnupftabaksdose. Stumpfsinn in Versen und Bildern von Hans Bötticher und Richard Seewald (1889-1976), S. 35,  1. Auflage, 1912, München; auch in: Joachim Ringelnatz, Das Gesamtwerk in sieben Bänden. Herausgegeben von Walter Pape, 1994, Bd. 1, S. 77

siehe: Wikisource,  https://de.wikisource.org/wiki/Ein_Nagel_sa%C3%9F_in_einem_St%C3%BCck_Holz

 

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