Comics, Graphic Novels und Antifaschismus

12. Januar 2023

Lorena Canottiere: Ucelli

Die Geschichte des Widerstands zu erzählen und die Werte des Antifaschismus zu vermitteln, insbesondere an jüngere Generationen, ist im heutigen Europa nach wie vor eine Aufgabe von größter Bedeutung. Die Krise der repräsentativen Demokratie und der politischen Teilhabe, die Entwertung des Geschichtswissens im zunehmend von den Geboten des Marktes geprägten Bildungswesen, das zunehmende Eindringen nationalistischer und rassistischer Rhetorik in den öffentlichen Raum und die Sorglosigkeit, mit der der Rückgriff auf Waffen und Krieg als Mittel zur Sicherung von Herrschaftspositionen normalisiert wird: All dies sind besorgniserregende Entwicklungen, gegen die unsere Gesellschaft nur mühsam die notwendigen Abwehrkräfte findet, was mit offensichtlichen Risiken und für alle sichtbaren Folgen verbunden ist. Dem antifaschistischen Widerstand in Europa, an dem breite Schichten der Bevölkerung beteiligt waren, gelang es, für die Niederlage des Nazifaschismus zu mobilisieren und eine neue Zeit der Freiheit, des Friedens, der Demokratie und der sozialen Rechte ins Leben zu rufen. Wir glauben, dass die außergewöhnliche Erfahrung dieser Antifaschistinnen und Antifaschisten uns weiterhin Wege und Ziele aufzeigt, die für das heutige Europa nach wie vor grundlegend sind, obwohl die Umstände heute ganz anders sind. 

In diesem Zusammenhang ist in den letzten Jahren in mehreren europäischen Ländern ein sehr interessantes Phänomen entstanden, das noch nicht ausreichend thematisiert und gewürdigt wird: die Verwendung von Comics und Graphic Novels zur Vermittlung antifaschistischer Geschichte und Erzählungen, insbesondere für die jüngere Generation. In Italien, Deutschland, Frankreich und anderswo versuchen sich Autoren mit großem Talent und zivilem Engagement an diesem künstlerischen Medium, um die Geschichte des 20. Jahrhunderts zu erzählen und den Grundwerten der europäischen Demokratien, die aus der Niederlage des Nazifaschismus hervorgegangen sind, konkreten Ausdruck zu verleihen. Sie tun dies durch die erzählerische und bildliche Wiedergabe der Erfahrungen der Generationen, die an dieser Geschichte beteiligt waren. 

Die ANPI und die VVN-BdA Frankfurt organisieren zu diesem Thema eine öffentliche Veranstaltung, an der zwei herausragende Protagonisten dieser Blütezeit des antifaschistischen Comics teilnehmen werden, auch um verschiedene länderspezifische Erfahrungen, die italienische und die deutsche, zu vergleichen: 

Lorena Canottiere, eine etablierte italienische Cartoonistin und Comiczeichnerin, Autorin zahlreicher ins Deutsche und in andere Sprachen übersetzter Werke, darunter Verdad und Bella Ciao

Heiko Koch, Journalist, Autor des Comicstrips Druckluft, und Experte des antifaschistischen Comic-Phänomens. 

Eine Veranstaltung (in deutscher Sprache) von ANPI in Kooperation mit der VVN-BdA Frankfurt am
Samstag, 21. Januar 2023, 18.00 Uhr
im Saal der AWO Nordend
Eckenheimer Landstraße 93 (Rückgebäude), 60318 Frankfurt

Eintritt frei

Zum Thema antifaschistische Comics siehe auch die folgenden Beiträge auf der Website der ANPI in Deutschland: 

Antifaschismus in den werken von Lorena Canottiere (deutsche Version) 

Druckluft –Eine Geschichte des Erinnerns und Kämpfens (deutsche Version) 

Interview mit Vincent Dugomier (März 2022) 

Ein Sack voll Murmeln (deutsche Version) 

Antifaschistische Comic und Graphic Novels (deutsche Version) 

2023: Diplomatie statt Kriegseskalation

29. Dezember 2022

Wir fordern einen dringend notwendigen Waffenstillstand in der Ukraine. Wir wenden uns entschieden gegen die von der großen Koalition aus SPD, Grünen, FDP und CDU/CSU vorangetriebene Konfrontationspolitik und militärische Hochrüstung zur Führungsmacht in Europa. Die deutsche Regierung darf nicht länger mit Waffenlieferungen zur Kriegseskalation beitragen, sondern muss sich Macrons Vorstoß für Verhandlungen anschließen, die die berechtigten Sicherheitsinteressen aller, d.h. auch Russlands berücksichtigen.
Die Menschheit hat nur eine Überlebenschance, wenn global eine Weichenstellung für gemeinsame Sicherheit erfolgt. Ohne eine Zusammenarbeit mit Russland und China kann der sich anbahnenden Klimakatastrophe nicht begegnet werden.
Ein immer wahrscheinlicher werdender Atomkrieg bedroht uns alle. Der millionenfache Tod durch die Vielzahl weltweiter Kriege, die Zerstörung von Umwelt und Infrastruktur, Flucht und Vertreibung von Millionen Menschen durch Militarisierung, aber auch durch Blockaden und Sanktionen sowie die Ausweitung von Armut und Umweltzerstörung dürfen nicht weiter zur Normalität gehören.
Für eine dazu notwendige Politik des Friedens, der Gerechtigkeit und internationalen Solidarität werden wir weiter aktiv sein und wollen neue MitstreiterInnen für einen wirklichen politischen Wandel gewinnen.
Abrüsten statt aufrüsten, Spannungen abbauen, gegenseitiges Vertrauen aufbauen, das schafft Perspektiven für Entwicklung hin zu globaler und sozialer Sicherheit.

„Die Waffen nieder“ bleibt das Gebot der Stunde

Diese Anzeige ist am 24. Dezember 2022 in mehreren Tageszeitungen erschienen.

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Stammtisch der VVN-BdA Frankfurt

20. Dezember 2022

Mittwoch, 4. Januar 2023, 19 Uhr

Ort: Club Voltaire, Kleine Hochstraße 5, 60313 Frankfurt

Dr. Thomas Sablowski hält einen Vortrag zum Thema Kapitalismus und Krieg, der im November leider ausfallen musste. Anschließend gibt es die Möglichkeit zur Diskussion.

Der Krieg in der Ukraine ist bei weitem nicht der einzige Krieg unserer Zeit. Gegenwärtig gibt es in mehreren Dutzend Ländern kriegerische Auseinandersetzungen. Jeder Krieg verlangt nach einer besonderen Erklärung. Andererseits würde es zu kurz greifen, Kriege nur als zufällige Ereignisse zu begreifen. Wir wollen hier die Frage diskutieren, welche Kriegsursachen in unserer Gesellschaftsordnung angelegt sind: Welcher Zusammenhang besteht zwischen der Herrschaft der kapitalistischen Produktionsweise und der Vielzahl an Kriegen und Bürgerkriegen?

Thomas Sablowski wird dazu Thesen vortragen, die auf der marxistischen Theorie und aktuellen Analysen kapitalistischer Entwicklung beruhen. Er ist Referent für politische Ökonomie der Globalisierung im Institut für Gesellschaftsanalyse der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Eine Veranstaltung der VVN-BdA Frankfurt in Kooperation mit dem Club Voltaire.

Eintritt frei

Bundesverfassungsgericht: Verfassungsbeschwerde

14. Dezember 2022

Zwei hessische Antifaschist*innen vor dem Bundesverfassungsgericht: Mündliche Verhandlung am 20. Dezember 2022 über Verfassungsbeschwerden in Sachen automatisierte Datenauswertung durch die Polizei und den Verfassungsschutz in Hessen

Silvia Gingold und Norbert Birkwald waren beide vor 50 Jahren wg. ihrer antifaschistischen Gesinnung und Betätigung Opfer der Berufsverbotepolitik. Und auch Jahrzehnte danach sind sie noch immer im Visier des sogenannten Verfassungsschutzes und werden von diesem bespitzelt.

Beide haben 2019 gemeinsam mit fünf weiteren Beschwerdeführer*innen (darunter die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz, der Journalist Franz Josef Hanke, Vorsitzender der Humanistischen Union Mittelhessen und Klaus Landefeld, Vorstandsmitglied des Verbands der Internetwirtschaft eco)Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt. Ihre Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen Neuregelungen des Hessischen Verfassungsschutzgesetzes (HVSG) sowie des Hessischen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (HSOG), die am 04.07.2018 durch das Gesetz zur Neuausrichtung des Verfassungsschutzes in Hessen in Kraft getreten sind und mit denen die Überwachungsbefugnisse von Polizei und Verfassungsschutz massiv ausweitet werden. In Hessen dürfen die Behörden nun sogenannte Staatstrojaner einsetzen. Mit der Software Hessendata werden personenbezogene Daten zentral und automatisiert ausgewertet.

Die Beschwerdeführer*innen machen im Wesentlichen geltend, die von ihnen mit ihrer Verfassungsbeschwerde angegriffenen Regelungen verletzten sie in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG sowie den Grundrechten aus Art. 13 Abs. 1 GG (Unverletzlichkeit der Wohnung) und Art. 10 Abs. 1 GG (Post- und Fernmeldegeheimnis).

In der Beschwerdeschrift wird festgestellt:

Die Beschwerdeführerin zu 1 (Silvia Gingold) lebt in Kassel und ist Lehrerin in Ruhestand. Sie stammt aus einer jüdischen Familie, ihr Vater Peter Gingold war nach seiner Flucht aus Deutschland im französischen Widerstand gegen den Nationalismus aktiv… Die Beschwerdeführerin… ist bis heute in der VVN-BdA aktiv und gewähltes Mitglied des Sprecher*innenrats der Landesvereinigung Hessen der VVN-BdA. Die VVN-BdA versteht sich als überparteiliche Sammelorganisation von Menschen, die gegen neofaschistische, rassistische und nationalistische Bestrebungen eintreten. Obwohl die VVN-BdA im Jahresbericht des Landesamts nicht namentlich genannt wird, steht die VVN-BdA nach Angaben des Landesamts gleichwohl in Hessen ebenso wie in zahlreichen anderen Bundesländern unter Beobachtung… Die Beschwerdeführerin… ist dem Landesamt nachweislich auch persönlich bekannt und wird bis heute vom Landesamt beobachtet… Seit 2009 wird beim Landesamt eine Personenakte zur Beschwerdeführerin… geführt. Dies brachte sie durch eine Anfrage vom 16.10.2012 an das Landesamt in Erfahrung. Mit Antwort vom 18.11.2012 teilte man ihr mit, dass sie seit 2009 im Bereich Linksextremismus gespeichert sei… Die Beschwerdeführerin erhob 27.05.2013 Klage gegen das Landesamt und verlangte vollumfängliche Auskunft über die über sie erhobenen Daten sowie Löschung dieser Daten… Auch im Rahmen des Gerichtsverfahrens hat das Landesamt die personenbezogenen Daten der Beschwerdeführerin nicht offengelegt, über 100 Seiten der Akte waren überwiegend geschwärzt. Das Landesamt hat im Rahmen des Verwaltungsgerichtsverfahrens am 07.10.2013 eine Sperrerklärung für nicht vorgelegte Bestandteile der Akte abgegeben… Diese Sperrerklärung weist darauf hin, dass im direkten Umfeld der Beschwerdeführerin auch verdeckte Ermittler*innen und Vertrauenspersonen eingesetzt werden…“

Der Beschwerdeführer zu 2 (Norbert Birkwald)

lebt in Mörfelden-Walldorf und ist Sprecher der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) in Hessen. Als Lehramtsanwärter erhielt der Beschwerdeführer… 1974 ein Berufsverbot und hat in Folge dessen auch in späteren Jahren keine Stelle als Lehrer gefunden… Im Komitee ‚40 Jahre Berufsverbote‘ setzt er sich gegen die Nachwirkungen der Berufsverbote ein und hat sich in diesem Zusammenhang beim hessischen Landesamt für Verfassungsschutz erkundigt, welche Daten über ihn vorliegen. Am 7. Juni 2018 erhielt der Beschwerdeführer… auf Nachfrage beim Landesamt für Verfassungsschutz die Auskunft, dass über ihn Daten im Phänomenbereich Linksextremismus gespeichert sind. Diese Daten umfassten seine Stellung als Mitglied im Sprecher*innenrat der VVN-Bda und seine Funktion als Webmaster der Internetseiten der VVN-BdA Hessen und der Internetseite der DKP-Linke Liste Mörfelden-Walldorf… In der Akte des Landesamts für Verfassungsschutz der Beschwerdeführerin zu 1 (Silvia Gingold) taucht der Beschwerdeführer zu 2 ebenfalls auf, als Teilnehmer an einer Demonstration gegen die NSU und zu 40 Jahren Berufsverbote im Jahr 2012…“

Am 11.11.2022 teilte das Bundesverfassungsgericht mit, dass der Erste Senat am 20.12.2022 über diese Verfassungsbeschwerde und eine gleichgelagerte Verfassungsbeschwerde gegen das Hamburger Gesetz über die Datenverarbeitung der Polizei (PolDVG) in mündlicher Verhandlung beraten wird. Bei beiden Regelungen handelt es sich um landesgesetzliche Ermächtigungen der Polizei zur Auswertung von Daten mittels einer automatisierten Anwendung. Zum Hintergrund der Verfassungsbeschwerden teilt das Gericht mit: „Die angegriffenen Regelungen schaffen eine Rechtsgrundlage dafür, bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen eine softwaregestützte Auswertung polizeilicher bzw. der für die Polizei verfügbaren Datenbestände vornehmen zu können. Das Ziel einer solchen automatisierten Weiterverarbeitung besteht den angegriffenen Regelungen nach insbesondere darin, Beziehungen oder Zusammenhänge zwischen Personen, Personengruppierungen, Institutionen, Organisationen, Objekten und Sachen herzustellen, unbedeutende Informationen und Erkenntnisse auszuschließen, die eingehenden Erkenntnisse zu bekannten Sachverhalten zuzuordnen sowie gespeicherte Daten statistisch auszuwerten. Nach Auffassung der Beschwerdeführenden liegt hierin ein intensiver und nicht gerechtfertigter Grundrechtseingriff, da die Befugnisse die Auswertung umfangreicher Datenbestände unter Nutzung komplexer informationstechnischer Programme gestatteten, ohne hierfür hinreichende Anforderungen vorzusehen.“

Die Verfassungsbeschwerden wurden mit Unterstützung der Gesellschaft für Freiheitsrechte e. V. (GFF) erarbeitet und eingereicht, bezogen auf das Hessische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) und das Hessische Verfassungsschutzgesetz unterstützt von der Humanistischen Union Hessen, dem Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung und der Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main.

Sarah Lincoln, Juristin und Verfahrenskoordinatorin bei der GFF, stellt dazu fest: “Mit dem Hessentrojaner und der Big-Data-Analysesoftware Hessendata liegt Hessen beim Angriff auf die Freiheitsrechte im Ländervergleich weit vorne.” Näheres dazu auf der Homepage der GFF.

Ungeachtet der anhängigen Verfassungsbeschwerde gegen das HSOG haben die Fraktionen von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im März 2022 einem weiteren Gesetzesentwurf für ein Gesetz zur Änderung sicherheitsrechtlicher Vorschriften und zur Umorganisation der hessischen Bereitschaftspolizei (Landtags-Drucksache 20/8129) vorgelegt, mit dem u. a. das hessische „Verfassungsschutz“gesetz” und das HSOG erneut geändert werden sollen. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens wurde auch die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main vom Innenausschuss des hessischen Landtags gebeten, eine Stellungnahme zu diesem Gesetzentwurf abzugeben. Darin wird u. a. festgestellt: „Aus mindestens zwei Gründen ist der weitere Gesetzgebungsprozess bis auf Weiteres zu stoppen:

  1. Mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26.04.2022 zum Bayrischen Verfassungsschutzgesetz steht auch der Gesetzesentwurf der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – insbesondere Artikel 1 ‚Änderung des Hessischen Verfassungsschutzgesetzes‘ und Artikel 2 ‚Änderung des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung‘ – auf dem Prüfstand. ‚Business as usual‘ oder ‚weiter so im Tagesgeschäft‘ ist nach dieser Gerichtsentscheidung das falsche Rezept.
  2. Gegen das Gesetz der Neuausrichtung des Verfassungsschutzes in Hessen aus 2018 ist noch eine – von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) unterstützte – Klage vor dem Bundesverfassungsgericht anhängig. Ihr Ausgang ist abzuwarten, bevor dem Hessischen Landesamt für Verfassungsschutz weitere Überwachungs-Kompetenzen übertragen werden.“

Derzeit „ruht“ das weitere Verfahren, da es der Koalition aus CDU und Grünen in Hessen schwer zu fallen scheint, ihr Vorhaben an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts anzupassen.

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Ein Gastbeitrag von Datenschutzrheinmain von der Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main (https://ddrm.de/)

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