Berufsverbote in den 1970er Jahren – drohen sie heute wieder?
Ein Gespräch mit Axel Seiderer
Politische Hintergründe und Auswirkungen auf das Leben der Betroffenen
Nachdem Axel Seiderer 1974 seinen Dienst bei der Deutschen Bundesbahn antrat, erfuhr er bei einer Einführungsrunde von seinem Vorgesetzten, dass der Job bei der Bahn eine Stellung auf Lebenszeit sei. Dennoch verlor er seinen Beruf als Eisenbahner – aus politischen Gründen, weil er aktives Mitglied der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) war. Er wurde, wie viele junge Menschen damals, Betroffener der undemokratischen staatlichen Praxis der Berufsverbote. Auf Initiative von Bundeskanzler Brandt fassten die Ministerpräsidenten der Länder 1972 den später „Radikalenerlass“ genannten Beschluss, mit dem Linke vom Öffentlichen Dienst ferngehalten bzw. durch Kündigung aus ihm entfernt werden sollten. Axel Seiderer sagt heute: Ich habe mich richtig entschieden und bin halt nicht mehr bei der Bahn. Und er kann viel erzählen über die persönlichen Folgen für ihn, wie für viele andere vom Berufsverbot Betroffene. Über finanzielle Folgen, aber auch solche psychischer Natur und vor allem über die wichtige Rolle der Solidarität, ohne die man solche Kämpfe kaum bestehen kann. Und er kann darüber reden, dass die Gefahr eines der Praxis der `70er Jahre ähnlichen politischen Vorgehens heute durchaus wieder gegeben ist.
Eintritt frei! Eine Veranstaltung der VVN-BdA Frankfurt in Kooperation mit dem Club Voltaire
am Donnerstag, 29.6.2023 um 19 Uhr im Club Voltaire, Kleine Hochstraße 5, 60313 Frankfurt
Die Zivilgesellschaft hat zusammen mit vielen anderen Menschen bewirkt, dass die Burschenschaften nicht in die Paulskirche kamen. Wir bleiben dabei: Nationalisten und Chauvinisten haben in der Paulskirche nichts zu suchen!
Im 175. Jahr der demokratischen Revolution von 1848/49 versammeln sich heute, am 18. Juni 2023 Vertreter der „Allgemeinen Deutschen Burschenschaft“ (ADB) in der Paulskirche, die als „Wiege der deutschen Demokratie“ gilt.
Der Frankfurter Magistrat und das gesamte ihn tragende Parteienbündnis sah sich offenbar außerstande, gegen die bevorstehende Versammlung säbelschwingender und elitär-machtorientierten Chauvis und Nationalisten in der Paulskirche angemessen und erfolgreich vorzugehen. Anstatt dafür die politische Verantwortung zu übernehmen, stellen sich nun die Parteien des Magistrats in anklagendem Ton vor die Paulskirche. Dieselben, die noch vor wenigen Tagen demonstrativ, wahrscheinlich gemeinsam mit der ADB, Beifall für die massiv antidemokratische und reaktionäre Kriminalisierung der Klimagerechtigkeitsaktivistinnen und -aktivisten der „Letzten Generation“ klatschten, demonstrieren hier gleichsam gegen sich selbst – angesichts von Nationalisten und Rechten, denen sie zuvor die Paulskirche geöffnet haben. Das ist völlig unglaubwürdig.
Wer sind die Mitglieder dieses Dachverbands und wofür stehen sie?
Die 28 Burschenschaften der ADB umfassen weniger als 4.000 Mitglieder. Die Mitgliedskorporationen sind allesamt „pflichtschlagend“ oder „fakultativ schlagend“, pflegen also das blutige Mannbarkeitsritual des Fechtens.
Gegründet 2016 nach einem fünf Jahre lang dauernden burschenschaftsinternen Streit über die Frage, ob auch Menschen mit Migrationsgeschichte Burschenschafter sein dürfen, versammeln sie sich bis heute unter dem Motto „Ehre, Freiheit, Vaterland!“
Die ADB trägt gern das Bild einer nationalkonservativen und „freiheitlichen“ Alternative zu den offen rechtsextremen Burschenschaftern der „Deutschen Burschenschaft“ vor sich her. Doch in den meisten Männerbünden der ADB, die sich hier in der Paulskirche sammeln, sind Frauen nicht zugelassen, ebensowenig Männer mit jüdischem oder islamischen Bekenntnis geschweige denn des LGBTQI-Spektrums. Stattdessen gibt es Berichte über Doppelmitgliedschaften in extrem rechten Organisationen, was, wie im Fall der Burschenschaft „Germania zu Bonn“ zum Ausschluss sogar aus der ADB führte.
Insgesamt pflegen die ADB-Korporationen ein rechtes, exklusiv ethnisch-deutsches, völkisches Milieu. Die Mitgliedschaft nach dem sogenannten „Lebensbundprinzip“ bildet Seilschaften, die weit über das Studium hinaus informelle Beziehungen in akademischen und wirtschaftlichen Kreisen der Justiz und Wissenschaft begründen.
Dies alles ist mit unserer Vorstellung von Demokratie unvereinbar. Der Nationalismus und Chauvinismus dieser Herrenmenschen, ihre intransparente und antiemanzipatorische Männerbündelei, ihre Selbstverpflichtung auf „Waffentragen“, das alles lehnen wir ab.
Wir wollen eine solidarische Gesellschaft mit gleichen Rechten und Pflichten für alle, wir kämpfen für eine Gesellschaft, in der die Wurzeln des Faschismus ausgetrocknet und in der Freiheit und Gleichheit für alle unabhängig von Nationalität, Geschlecht, Religion, Weltanschauung, sexueller Identität Grundlage größtmöglicher freier Entfaltung jeder und jedes Einzelnen ist.
Das ist nicht mit, sondern nur gegen die nationalistischen, patriarchalen und elitären Machtansprüche der Burschenschaften gleich welchen Dachverbands möglich.
Wir rufen die Stadtgesellschaft dazu auf:
machen wir uns ab sofort gemeinsam, solidarisch und unabhängig von Magistrat und seinen Parteien Gedanken darüber, wie wir wirksam und entschlossen verhindern können, dass sich ein solches Schauspiel jemals wiederholen kann!
Als der Staat rot sah – Justizopfer im Kalten Krieg
Der Kalte Krieg dominierte das Nachkriegsdeutschland. Gegen mehr als 200.000 Menschen wurde aus politischen Gründen ermittelt, fast 10.000 wurden verurteilt. Nicht selten von ehemalige Nazi-Juristen. Viele der Verurteilten saßen wegen ihrer Gesinnung schon in der NS-Zeit im Gefängnis oder im KZ. Zum anschließenden Filmgespräch steht uns Filmemacher Hermann G. Abmayr zur Seite.
Donnerstag, 15. Juni 2023, 19:30Uhr Ort: DGB-Jugendclub, Frankfurt am Main