Guten Abend allerseits! Mein Name ist Anna Marchisio vom Verein der Partisanen Italiens, ANPI Ortsverband Frankfurt.
Zunächst möchten wir uns bei den Freunden der VVN-BdA dafür bedanken, dass sie uns zur Feier des 75. Jahrestages der Gründung der VVN eingeladen haben und wir Ihnen unseren Gruß überbringen dürfen. Die VVN-BdA ist unser Schwesterverein, und beide Vereine sind in der FIR (der Internationalen Föderation der Widerstandskämpfer) verbunden.
Italien hat den traurigen „Verdienst“, das Phänomen des Faschismus in Europa eingeleitet zu haben. Dieses Phänomen beherrschte dann in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts einen großen Teil des europäischen Kontinents, hat seither in der ganzen Welt verschiedene Wiederauferstehungen und Fortsetzungen gefunden, und ist über die Jahre nach dem zweiten Weltkrieg eine beunruhigende Präsenz und eine reale Bedrohung geblieben – bis heute, wo wir, wenn auch unter etwas anderen Formen, Episoden und Wiederauferstehungen faschistischer Nostalgie erleben, gegen die die Politik und die Kultur nicht mit der gebotenen Entschlossenheit reagieren.
Der Frühfaschismus war eine Mischung aus antipopulärer Reaktion und aggressivem Nationalismus, wobei Mussolini die Wut und Frustration der Kriegsheimkehrer für seine politischen Zwecke zu nutzten wusste, das Ganze begleitet von einer skrupellosen und systematischen Anwendung politischer Gewalt. Am Anfang fand der Faschismus die antifaschistischen politischen Parteien unvorbereitet: Dies gab dem Faschismus die Möglichkeit, die Macht zu ergreifen und sich als Regime zu konsolidieren, auch Dank der Mittäterschaft der wirtschaftlichen Machthaber. Es gab einige, die von Anfang an versuchten, sich der Machtergreifung des Faschismus entgegenzustellen: die im Juni 1921 in Rom geborenen Arditi del Popolo griffen zu den Waffen, um die betroffenen Volksmassen gegen den faschistischen Terror der Schwarzhemden zu schützen.
Die Arditi del Popolo schafften es damals nicht, den triumphierenden Faschismus einzudämmen, stellten aber einen wichtigen Bezugspunkt für die antifaschistische Opposition dar, die, wenn auch geschwächt, weiterhin im Untergrund operierte.
Diese Opposition fand dann 1943 in der Resistenza Ausdruck: so hieß der antifaschistische Widerstand in Italien, eine in unserer Geschichte außergewöhnliche Bewegung von Menschen, die den siegreichen bewaffneten Kampf gegen den Nazifaschismus führte, und Teil eines breiteren antifaschistischen Kampfes in ganz Europa war.
Allmählich verlassen uns die Menschen, die die Hölle des Nazifaschismus erlebt und dagegen gekämpft haben. Wie Esther Bejarano, haben sich auch die Partisanen das ganze Leben lang für die Freiheit und gegen Rassismus und Antisemitismus engagiert. Jetzt müssen wir den Staffelstab übernehmen.
Ebenso wie für die VVN-BdA bleibt es für ANPI eine unabdingbare Aufgabe, die Erinnerung an den Widerstand und and den Kampf gegen Faschismus an die kommenden Generationen weiterzugeben. Wie die VVN-BdA ist auch die ANPI der Meinung, dass der Kampf gegen den Faschismus nicht vorbei ist und heute mit noch grösser Bestimmung als Zuvor weitergeführt werden muss. Denn es genügt heute wohl nicht mehr, kein Faschist zu sein: in Zeiten wie die, die wir jetzt erleben, muss man Antifaschist sein!
Gemeinsam mit der VVN-BdA wollen wir hier in Frankfurt auch in der heutigen Gesellschaft für die Werte kämpfen, die den Widerstand damals inspiriert haben: gegen Rassismus und Diskriminierung, für Demokratie, soziale Gerechtigkeit, Freiheit und Frieden. Gemeinsam!
Rede der A.N.P.I. Ortsverband Frankfurt
19. Juli 2021
Grußwort vom Förderverein der Roma und Sinti
19. Juli 2021
Rede zu 75 Jahre VVN am 18.7. in Frankfurt. Februar
Liebe Freundinnen und Freunde,
zunächst auch von mir und im Namen des Fördervereins Roma ein herzliches „Happy Birthday VVN!“
Ich freue mich sehr, direkt nach der ANPI zu sprechen, denn viele italienische Sinti waren am bewaffneten Kampf gegen den Faschismus beteiligt. Es gab sogar eine Partisanen-Einheit, die ausschließlich aus Sinti bestand, die Leoni di Breda Solini, die Löwen-Brigade. Insbesondere für die Partisanenbewegungen in Jugoslawien und in der Sowjetunion sind ebenfalls viele Roma-Kämpferinnen dokumentiert. Überall im besetzten Europa wie auch in Deutschland beteiligen sich Roma und Sinti am antifaschistischen Widerstand. Ebenso im Spanischen Bürgrkrieg: Der Generalsekretär der katalanischen CNT Marià Rodríguez i Vázquez war ebenso ein Rom wie Helios Gomez. Dieser kämpfte auf den Barrikaden von Barcelona und als Illustrator republikanischer Zeitungen gegen die Putschisten und gegen den Antiziganismus. Im nationalsozialistischen Deutschland und den besetzten Gebieten wurden bis zu 500.000 Roma und Sinti ermordet. Dass dies 1982 vom deutschen Staat anerkannt wurde, ist vor allem ein Verdienst der Bürgerrechtsbewegung der Roma und Sinti, der in einem Hungerstreik ehemaliger Gefangener in der Gedenkstätte Dachau gipfelte. Dass das Mahnmal für den Porajmos seit mehr als einem Jahr ausgerechnet durch ein S-Bahnprojekt der Deutschen Bahn gefährdet wird, ist eigentlich unfassbar. Bitte setzt euch für die Unversehrtheit des Mahnmals ein und unterzeichnet auch die Petition dafür auf change.org. Am 19. Februar letzten Jahres wurden in Hanau die Romni Mercedes Kierpacz sowie dieRoma Viorel Paun und Kaloyan Velkov ebenso wie Ferhat Unvar, Hamza Kurtović, Said Nesar Hashemi, Fatih Saraçoğlu, Sedat Gürbüz und Gökhan Gültekin neben Gabriele Rathjen von einem gleichermaßen rassistischen wie behindertenfeindlichen und misogynen Täter ermordet. Vor vier Wochen fand eine Fahraddemonstration zum Gedenken an die Ermordeten statt, an der vielleicht einge von Euch teilgenommen haben. Am selben Tag, dem 19. Juni, starb Stanislav Tomáš nach einer Festnahme durch die tschechische Polizei in Teplice. Die Tschechische Polizei behauptet, er sei an einer Kombination von Drogen und einer Herzerkrankung gestorben. Doch die Festnahme und der Tod des Rom wurden gefilmt und die Bilder gleichen der Tötung von George Floyd auf erschreckende Weise. Drei Polizistinnen fesseln Stanislav Tomáš. Ein Beamter kniet sechs quälend lange Minuten auf seinem Nacken. Nach etwa 4 Minuten bewegt sich Stanislav Tomáš nicht mehr, er ist entweder bewusstlos oder bereits tot, was den Polizisten nicht davon abhält, sein Opfer zwei weitere Minuten zu drangsalieren. Doch während die Mörder George Floyds zu 22 Jahren Haft verurteilt wurden, sind die Täterinnen und Täter im Fall Stanislav Tomáš auf freiem Fuß. Sie wurden von ihrem obersten Dienstherrn – Innenminister Jan Hamáček – ausdrücklich für ihr „entschiedenes Vorgehen“ gelobt. Die Beamten seien 100% Profis, hinter denen er stehe.
Über den Tod von Stanislav Tomáš wird in den hiesigen Medien kaum berichtet. Offensichtlich ist es für deutsche Journalistinnen einfacher, über Rassismus gegen Schwarze in den USA zu berichten, als über Antiziganismus in Europa. Mit zahlreichen Mahnwachen und Demonstrationen in ganz Europa hat sich nun eine Roma Lives Matter Bewegung gebildet, die Öffentlichkeit schafft und eine unabhängige Untersuchung des Todes von Stanislav Tomáš fordert. Nur Druck in Tschechien und international können eine unabhängige Untersuchung des Todes von Stanislav Tomáš erzwingen und zur Bestrafung der Täter führen! Bitte helft mit, das Schweigen über den Tod von Stanislav Tomáš zu durchbrechen! Erzählt es überall weiter und nehmt es in eure Veröffentlichungen mit auf, dass die tschechische Polizei einen Rom getötet hat, und die Regierung die Täterinnen deckt!
Schaffen wir eine starke Roma Lives Matter Bewegung!
Grußwort von Solidali Francoforte
18. Juli 2021
An die, die noch die Kraft hatten, ihre Stimme zu erheben und über die Grausamkeiten der Nazis zu erzählen, auch für alle, die nicht mehr am Leben waren oder verstummt wurden, an die, die diese Stimme verstärkt haben, durch aktive Teilnahme oder Unterstützung, an die, die die Botschaft „Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus “ überall verstehen und gemeinsam diese Erinnerung weiter leben lassen und den Widerstand von damals als Erbgut für diese und künftige Generationen erleben, richtet Solidali Francoforte dieses Grußwort mit dem Wunsch an den VVN, nach einer schwierigen Zeit, dass Würdigung und Unterstützung für sein Dasein und Kampf immer stärker werden und dass der Verband, wie seine leider seit kurzem verstorbene Ehrenvorsitzende Esther Bejerano, als Leuchtturm gegen die Barbarei uns immer ermahnt und ermutigt.
Mit antifaschistischen Grüßen
Solidali Francoforte
Grußwort der LINKEN Frankfurt
18. Juli 2021
Die Bedeutung von Widerstand und Kampf gegen politische Verfolgung ist eine der wichtigsten Lehren der deutschen Geschichte. Leider ist politische Verfolgung nicht nur Vergangenheit, sondern findet auch heute noch statt.
Die VVN, gegründet von Verfolgenden des Naziregimes, klärt mit ihrer Erinnerungs- und Gedenkarbeit beständig über die Gräuel des Faschismus und seiner Wurzeln auf und mahnt vor erneuten antidemokratischen, rassistischen und menschenverachtenden Strömungen. Gegen jegliche Art von erneuten nationalistischen und faschistischen Bewegungen geht ihr auf die Straße und protestiert.
Wir als DIE LINKE.Frankfurt am Main gratulieren der VVN Frankfurt und Hessen und machen uns weiterhin gemeinsam mit der VVN stark für diese wichtigen Kämpfe.
Frankfurt am Main, den 16. Juli 2021
Der Kreisvorstand
Sarya Atac, Helen Basak, Axel Gerntke, Katharina Grabietz, Luca Hemmerich, Laurenz Hilmer, Martina van Holst, Steffen Merte, Gregorio Ropert, Oktay Tezerdi, Margarete Wiemer, Bettina Wöllner-Reutershahn