Rolf Heinemann

Rolf Heinemann, Kelkheim, liest aus Fritz von Unruh,
Aufruf an die Jugend, 1924

Rolf Heinemann schreibt uns: „Ich erinnere an den Schriftsteller Fritz von Unruh (geboren 1885 Koblenz, gestorben 1970 Diez an der Lahn).
Er hatte das Wohnrecht ab Jahr 1927 auf Lebenszeit durch das Stadtparlament im Rententurm erhalten, das ihm 1932 wieder entzogen wurde. Der Rententurm ist wenige Meter vom Römerberg und dem Historischen Museum entfernt, also am Main. Ein Gedenkschild am Rententurm erinnert seit 1985 an seinen dortigen Wohnsitz 1927-1933). Er hat bei der Bücherverbrennung am 10. Mai 1933 zugesehen.
Ich zitiere von Fritz von Unruh, seinen Aufruf zu den Reichstagswahlen 1924, sein „Aufruf an die Jugend“:

 

„Jugend, im wachsenden Frühling, das „Ja“ der Natur gegen die Vergreisung und Dürre! Du, heißer schäumender Mut zum Hinauf an das Licht! Zu welcher Fahne willst Du gerufen sein? Gibt es eine andere, als die reine, weiße, in die gewebt ist das leuchtende Antlitz deiner Seele? In welch anderer Gruppe oder Partei hätte Dein mächtiger Atem Raum, sich zu gestalten, sich zu erleben – als allein in unseres Herzens heiliger Republik?
Was da Kreis um Kreis in der Stille unserer Brust die Mutter erfühlte, den Vater erkannte. Hören wir nicht schon von dem Reklamemaul des Schlagwortes, ungefühlt oder frech – unser Heiligtum ausschreien – weil! o, weil es nützlich ist im Augenblick, also zu sprechen: Friede! Menschheit! Liebe! – Fluch über alle, deren Leben das Werdende schändet! Besser wäre es ihnen, ihre Zunge faulte, ehe sie Worte ausplappert, die alles Feuer der Zukunft umfassen! – Holte sich gestern eine eherne Nemesis aus dem prahlerischen Lager ungläubiger Volksverführer die Führer! – morgen wird sie die Lippen derer zu Eiter machen, die es wagen als falsche Propheten auf den Märkten zu stehn!
Wo aber in dem sinnbetörenden Lärm der Parteien hören wir den Ruf – unsrer Partei? – „

 

Quelle: Buch ISBN 3 8031 2208 2 (1992)/Seite 106 „Die Schriftsteller und die Weimarer Republik“(Wagenbach-Verlag Berlin).