Rede der A.N.P.I. Ortsverband Frankfurt

19. Juli 2021

Guten Abend allerseits! Mein Name ist Anna Marchisio vom Verein der Partisanen Italiens, ANPI Ortsverband Frankfurt.
Zunächst möchten wir uns bei den Freunden der VVN-BdA dafür bedanken, dass sie uns zur Feier des 75. Jahrestages der Gründung der VVN eingeladen haben und wir Ihnen unseren Gruß überbringen dürfen. Die VVN-BdA ist unser Schwesterverein, und beide Vereine sind in der FIR (der Internationalen Föderation der Widerstandskämpfer) verbunden.
Italien hat den traurigen „Verdienst“, das Phänomen des Faschismus in Europa eingeleitet zu haben. Dieses Phänomen beherrschte dann in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts einen großen Teil des europäischen Kontinents, hat seither in der ganzen Welt verschiedene Wiederauferstehungen und Fortsetzungen gefunden, und ist über die Jahre nach dem zweiten Weltkrieg eine beunruhigende Präsenz und eine reale Bedrohung geblieben – bis heute, wo wir, wenn auch unter etwas anderen Formen, Episoden und Wiederauferstehungen faschistischer Nostalgie erleben, gegen die die Politik und die Kultur nicht mit der gebotenen Entschlossenheit reagieren.
Der Frühfaschismus war eine Mischung aus antipopulärer Reaktion und aggressivem Nationalismus, wobei Mussolini die Wut und Frustration der Kriegsheimkehrer für seine politischen Zwecke zu nutzten wusste, das Ganze begleitet von einer skrupellosen und systematischen Anwendung politischer Gewalt. Am Anfang fand der Faschismus die antifaschistischen politischen Parteien unvorbereitet: Dies gab dem Faschismus die Möglichkeit, die Macht zu ergreifen und sich als Regime zu konsolidieren, auch Dank der Mittäterschaft der wirtschaftlichen Machthaber. Es gab einige, die von Anfang an versuchten, sich der Machtergreifung des Faschismus entgegenzustellen: die im Juni 1921 in Rom geborenen Arditi del Popolo griffen zu den Waffen, um die betroffenen Volksmassen gegen den faschistischen Terror der Schwarzhemden zu schützen.
Die Arditi del Popolo schafften es damals nicht, den triumphierenden Faschismus einzudämmen, stellten aber einen wichtigen Bezugspunkt für die antifaschistische Opposition dar, die, wenn auch geschwächt, weiterhin im Untergrund operierte.
Diese Opposition fand dann 1943 in der Resistenza Ausdruck: so hieß der antifaschistische Widerstand in Italien, eine in unserer Geschichte außergewöhnliche Bewegung von Menschen, die den siegreichen bewaffneten Kampf gegen den Nazifaschismus führte, und Teil eines breiteren antifaschistischen Kampfes in ganz Europa war.
Allmählich verlassen uns die Menschen, die die Hölle des Nazifaschismus erlebt und dagegen gekämpft haben. Wie Esther Bejarano, haben sich auch die Partisanen das ganze Leben lang für die Freiheit und gegen Rassismus und Antisemitismus engagiert. Jetzt müssen wir den Staffelstab übernehmen.
Ebenso wie für die VVN-BdA bleibt es für ANPI eine unabdingbare Aufgabe, die Erinnerung an den Widerstand und and den Kampf gegen Faschismus an die kommenden Generationen weiterzugeben. Wie die VVN-BdA ist auch die ANPI der Meinung, dass der Kampf gegen den Faschismus nicht vorbei ist und heute mit noch grösser Bestimmung als Zuvor weitergeführt werden muss. Denn es genügt heute wohl nicht mehr, kein Faschist zu sein: in Zeiten wie die, die wir jetzt erleben, muss man Antifaschist sein!
Gemeinsam mit der VVN-BdA wollen wir hier in Frankfurt auch in der heutigen Gesellschaft für die Werte kämpfen, die den Widerstand damals inspiriert haben: gegen Rassismus und Diskriminierung, für Demokratie, soziale Gerechtigkeit, Freiheit und Frieden. Gemeinsam!