Grußwort vom Förderverein der Roma und Sinti

19. Juli 2021

Rede zu 75 Jahre VVN am 18.7. in Frankfurt. Februar
Liebe Freundinnen und Freunde,
zunächst auch von mir und im Namen des Fördervereins Roma ein herzliches „Happy Birthday VVN!“
Ich freue mich sehr, direkt nach der ANPI zu sprechen, denn viele italienische Sinti waren am bewaffneten Kampf gegen den Faschismus beteiligt. Es gab sogar eine Partisanen-Einheit, die ausschließlich aus Sinti bestand, die Leoni di Breda Solini, die Löwen-Brigade. Insbesondere für die Partisanenbewegungen in Jugoslawien und in der Sowjetunion sind ebenfalls viele Roma-Kämpferinnen dokumentiert. Überall im besetzten Europa wie auch in Deutschland beteiligen sich Roma und Sinti am antifaschistischen Widerstand. Ebenso im Spanischen Bürgrkrieg: Der Generalsekretär der katalanischen CNT Marià Rodríguez i Vázquez war ebenso ein Rom wie Helios Gomez. Dieser kämpfte auf den Barrikaden von Barcelona und als Illustrator republikanischer Zeitungen gegen die Putschisten und gegen den Antiziganismus. Im nationalsozialistischen Deutschland und den besetzten Gebieten wurden bis zu 500.000 Roma und Sinti ermordet. Dass dies 1982 vom deutschen Staat anerkannt wurde, ist vor allem ein Verdienst der Bürgerrechtsbewegung der Roma und Sinti, der in einem Hungerstreik ehemaliger Gefangener in der Gedenkstätte Dachau gipfelte. Dass das Mahnmal für den Porajmos seit mehr als einem Jahr ausgerechnet durch ein S-Bahnprojekt der Deutschen Bahn gefährdet wird, ist eigentlich unfassbar. Bitte setzt euch für die Unversehrtheit des Mahnmals ein und unterzeichnet auch die Petition dafür auf change.org. Am 19. Februar letzten Jahres wurden in Hanau die Romni Mercedes Kierpacz sowie dieRoma Viorel Paun und Kaloyan Velkov ebenso wie Ferhat Unvar, Hamza Kurtović, Said Nesar Hashemi, Fatih Saraçoğlu, Sedat Gürbüz und Gökhan Gültekin neben Gabriele Rathjen von einem gleichermaßen rassistischen wie behindertenfeindlichen und misogynen Täter ermordet. Vor vier Wochen fand eine Fahraddemonstration zum Gedenken an die Ermordeten statt, an der vielleicht einge von Euch teilgenommen haben. Am selben Tag, dem 19. Juni, starb Stanislav Tomáš nach einer Festnahme durch die tschechische Polizei in Teplice. Die Tschechische Polizei behauptet, er sei an einer Kombination von Drogen und einer Herzerkrankung gestorben. Doch die Festnahme und der Tod des Rom wurden gefilmt und die Bilder gleichen der Tötung von George Floyd auf erschreckende Weise. Drei Polizistinnen fesseln Stanislav Tomáš. Ein Beamter kniet sechs quälend lange Minuten auf seinem Nacken. Nach etwa 4 Minuten bewegt sich Stanislav Tomáš nicht mehr, er ist entweder bewusstlos oder bereits tot, was den Polizisten nicht davon abhält, sein Opfer zwei weitere Minuten zu drangsalieren. Doch während die Mörder George Floyds zu 22 Jahren Haft verurteilt wurden, sind die Täterinnen und Täter im Fall Stanislav Tomáš auf freiem Fuß. Sie wurden von ihrem obersten Dienstherrn – Innenminister Jan Hamáček – ausdrücklich für ihr „entschiedenes Vorgehen“ gelobt. Die Beamten seien 100% Profis, hinter denen er stehe.
Über den Tod von Stanislav Tomáš wird in den hiesigen Medien kaum berichtet. Offensichtlich ist es für deutsche Journalistinnen einfacher, über Rassismus gegen Schwarze in den USA zu berichten, als über Antiziganismus in Europa. Mit zahlreichen Mahnwachen und Demonstrationen in ganz Europa hat sich nun eine Roma Lives Matter Bewegung gebildet, die Öffentlichkeit schafft und eine unabhängige Untersuchung des Todes von Stanislav Tomáš fordert. Nur Druck in Tschechien und international können eine unabhängige Untersuchung des Todes von Stanislav Tomáš erzwingen und zur Bestrafung der Täter führen! Bitte helft mit, das Schweigen über den Tod von Stanislav Tomáš zu durchbrechen! Erzählt es überall weiter und nehmt es in eure Veröffentlichungen mit auf, dass die tschechische Polizei einen Rom getötet hat, und die Regierung die Täterinnen deckt!
Schaffen wir eine starke Roma Lives Matter Bewegung!